Übers ehrlich sein mit sich selbst - In der Essenz werden wir zwangsgeschält...
In meinem Erleben fordert Long Covid von mir absolute Ehrlichkeit mit mir selbst. Jeder Versuch mich selbst zu bescheißen, wird direkt sanktioniert und solange ich mehr auf mein Ego, als auf mein System gehört habe, war das ein ganz schön frustrierender Prozess.
Ich wollte vieles nicht einsehen... ich wollte weiter arbeiten, obwohl ich mich nicht mehr genug regenerieren konnte, ich wollte längere Strecken laufen, als ich wirklich konnte, mich länger mit Menschen treffen, als ich Kapazität für hatte und so weiter. Ernüchternder weise falle ich auch nach 1,5 Jahren noch in bestimmte Muster von mir selbst, aber ich lerne zum Glück dazu.
Ehrlich zu sein ist verdammt hart, denn es ist gefährlich fürs System... Vorstellungen, Konditionierungen, Werte von früher können nicht mehr gehalten werden und das fühlt sich nicht sicher an. Ich weiß ehrlich gesagt nicht wie viele Ego-Tode ich durch diese Krankheit schon gestorben bin und immer wenn ich dachte, es sei jetzt geschafft, kam der nächste Hammer.
Wenn ich ehrlich bin, dann bedeutet das zugeben zu müssen, dass meine Welt wirklich gerade so klein ist, wie sie ist... ich so einsam bin, wie ich bin... ich so wenig machen kann, wie ich machen kann und ich keine Zukunftspläne schmieden kann, weil ich keine Ahnung mehr von Zukunft habe. Das ist fucking hart. Ich war trainiert durchzuziehen, über meinen Körper drüber gehen zu können und Erwartungen im außen wenigstens einigermaßen zu entsprechen.
In der Essenz werden wir zwangsgeschält... von all den Schichten, die nicht mehr nützlich sind, die uns eigentlich auch nie wirklich gut getan haben und die nicht wirklich zu uns gehören...
Ego-Tode sind die Befreiungsprozesse unserer Essenz von unserer Persönlichkeit.
Ich habe Long Covid dafür gehasst, was es mir alles genommen hat und mittlerweile muss ich mir eingestehen... es ist einfach der gewaltigste Aufräumprozess meines Lebens.
Es gibt Phasen in denen kann ich das ganz gut nehmen und es gibt Phasen da will ich einfach nur, dass es endlich endlich aufhört so schwer zu sein zu existieren.
Ehrlich gesagt hätte ich gedacht dass im April 24 schon sehr viel weiter sein würde, als ich es in der Realität bin. Auch das ist nicht leicht auszuhalten. Gleichzeitig war ich mir selbst und all den Dingen, die mich schon immer daran gehindert haben, ein stimmiges Leben für mich zu leben, noch nie so sehr auf der Spur wie jetzt.
Diese Krankheit ist wie das krasseste Paradox was ich jemals erlebt habe... es ist der unvorstellbarste Verlust meines eigenen Lebens und es wie eine Initiation zu dem Menschen, der ich eigentlich bin...
Wie ist es für dich?
Hallo Verena, ich bin mal wieder total geflasht von deinem Text, der wieder so wunderbar tiefgründig und auch so poetisch ausdrückt, was ich empfinde (mit 2 Jahren PostVac). Danke dafür, dass du wieder so schöne und eindringliche Worte dafür gefunden hast, was ich noch gar nicht so klar für mich ausdrücken konnte und jetzt richtig begreife. Ach, einfach Danke dafür!