Ich bin mir sicher du kennst das... du nutzt ein Tool für eine Weile, dein Zustand verändert sich dadurch zum Positiven und weil es dir jetzt besser geht, hörst du auf das Tool weiter anzuwenden... und sehr wahrscheinlich fängst du irgendwann wieder an mit dem Tool zu arbeiten, weil du spürst, dass du es doch brauchst.
Ich möchte in diesem Artikel Brain Retraining (BR) als Beispieltool nutzen, aber du kannst das natürlich ersetzen... mit Baseline, Pacing, somatischer Übungen, Fokus auf Freude, Meditation etc.
Gerade dann, wenn du Tools nutzt, um etwas loszuwerden z.B. eine Erkrankung sind sie oft negativ mit der Zeit des Krankseins verknüpft. Also denkt unser Gehirn gerne, dass weniger krank sein auch bedeutet weniger Tools benutzen zu müssen.
Aber vertust du damit nicht eine riesige Chance? Und denken wir da alle nicht viel zu kurz?
Ich möchte dich zu einem kleinen Perspektivenwechsel einladen.
Was wäre, wenn all die Tools die dich jetzt finden, weil du verdammt krank bist, dein Fundament sein werden, um ein zukünftig stabileres, reguliertes und erfüllteres, dir entsprechendes Leben zu führen?
Brain Retraining ist eine Technik die du erstmal kennenlernst, um anders mit deinen Symptomgedanken umzugehen, die wiederum dein Nervensystem überaktivieren und dich dadurch im Teufelskreis der Dysregulation gefangen halten. Im weiteren Sinne ist BR wie eine Schulung deine Gedanken bewusster wahrzunehmen und dich mit diesen Gedanken anders zu verhalten (also neue neuronale Bahnen zu bauen). Je mehr du trainierst, desto mehr Bewusstsein bekommst du über dich, die Auswirkung deiner Gedanken und um so mehr Sicherheit wirst du lernen, mit herausfordernden Gedanken umzugehen.
Das ist etwas, was viele erwachsene Menschen überhaupt nicht haben. Sie werden von ihren Gedanken gelebt, glauben ihnen, lassen sich dadurch emotional leiten und leben oft mehr in der Zukunft oder Vergangenheit. Deine Erkrankung hat dich zu diesem Tool geführt und wenn du die Chance darin erkennst, kann es dich für den Rest deines Lebens dabei unterstützen ein bewussteres Leben zu führen.
Was oft missverstanden wird ist, dass Menschen denken sie müssten für immer und ewig z.B. die 7 Schritte nach Gupta machen, für "richtiges" BR. Das ist Bullshit und wieder zu kurz gedacht. Eine Anleitung für das Tool zu bekommen ist notwendig, um damit zu üben und deine Erfahrungen zu machen. Wenn das Tool integriert ist in ein dein System, wird sich auch die Arbeit mit dem Tool verändern und oft vereinfachen. Dann kann es reichen du nimmst einen Gedanken wahr und stoppst ihn und dein System entspannt sich direkt. Während es natürlich bei einer dauerhaften Überaktivierung des Nervensystems oft notwendig ist, diesem Gedanken mehr Aufmerksamkeit zu geben.
Mit Übung wirst du immer leichter wahrnehmen können, welche Gedanken einfach unnötiges Gebrabbel aus deinem Kopf sind (wenn ich durch den Wald laufe muss ich nicht über das Kochen nachdenken...) und welche Gedanken dich wirklich brauchen. Manche Gedanken werden von Anteilen in dir gespeist die wiederum gesehen oder gehalten werden wollen... andere Gedanken sind ernst zunehmende Trigger und brauchen vielleicht ein Gespräch, eine Unterstützung oder Umarmung. Manche Emotionen die durch Gedanken entstehen, brauchen Ausdruck und andere kannst du stoppen, weil sie auf puren Annahmen basieren, die nichts mit der Realität zu tun haben und es keinen Sinn macht dich in ihnen zu verheddern.
Egal welches Programm du nutzt oder welche Videos du dir anschaust, am Ende des Tages findet die wahre Lernerfahrung durch deine eigene Praxis statt. Es ist also unerlässlich dich hinzusetzen und es zu tun, auch wenn es sich anstrengend anfühlt (natürlich innerhalb deiner Baseline).
Je gesünder du wirst, desto andere Herausforderungen wirst du erleben und selbst wenn du irgendwann wieder ganz gesund bist gehören stressige Situationen zu einem menschlichen Leben.
Stell dir mal vor all die "gesunden" Menschen da draußen wüssten über ihr Nervensystem bescheid, würden ihre Baseline kennen anstatt sich über ihre Leistung zu definieren, würden ihr Leben gesund pacen und dadurch in keine dauerhafte Dysregulation rutschen, hätten ein Bewusstsein für die Kraft ihrer Gedanken und Tools damit bewusst umzugehen würden Verantwortung für ihre inneren Anteile übernehmen und würden sich auf Freude und Dankbarkeit fokussieren.
Wäre ne ziemlich geile Welt...
Also hör auf deine Tools als Notwendigkeit zu betrachten, die du irgendwann wieder loswerden willst, sondern nutze sie für dein Fundament und erlaube ihnen, dass sich sich wandeln und verändern werden, so wie du weiter wachsen und dich verändern wirst.
Dein Brain Retraining von heute, ist die Basis von deinem gesunden und zufriedenen Zukunfts Ich.
PS: Falls du zu den Menschen gehörst, die Angst davor haben es nicht richtig zu machen (im Gupta Forum sehe ich ständig, dass sich Menschen Gedanken darüber machen ob sie bei Schritt 4 nicht etwas falsch machen, oder welcher Anteil jetzt vielleicht noch welchen Anteil beeinflussen könnte etc.) dann fängt dein BR ja da schon an.
Es ist nicht schlimm etwas anders zu machen, es ist nicht schlimm etwas nicht gleich zu verstehen, es ist nicht schlimm wenn du nicht perfekt bist, es ist auch nicht schlimm wenn man merkt dass man doch eine andere Art von BR machen muss, weil dieses eine Tool so gar nicht zu einem spricht, es ist nicht schlimm wenn du nicht jeden Anteil permanent nähren kannst und es ist nicht schlimm, wenn du Angst hast etwas falsch zu machen.
Mach einfach. Übe, zweifle, lerne und mach dich dabei nicht verrückt, sondern bleib neugierig. Etwas neues zu lernen braucht Zeit, bis es im System integriert ist braucht es noch sehr viel mehr Zeit.
Deine Angst etwas falsch zu machen, entsteht wahrscheinlich weil du Angst hast, dass wenn du es nicht richtig machst du nicht gesund wirst... mach dir bewusst es gibt unzählige Möglichkeiten mit deinen Gedanken zu arbeiten und dein Gesund werden hängt sehr wahrscheinlich nicht von einem einzigen Tool ab!
Es ist der Weg den du gehst mit all den Tools die ihren Weg zu dir finden werden. Finde Freude beim BR, mach es zu einer Zeremonie wenn dir das hilft, mach es im Liegen wenn das leichter ist obwohl du es im Stehen machen sollst und erlaube dir Kreativität und dabei DEINEN Weg gehen zu dürfen, auch wen XY es anders empfiehlt.
Gesund zu werden bedeutet auch, dass wir lernen uns selbst wieder zu vertrauen!
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